Neulich hatte ich noch mal ein öffentliches Webinar und merkte vorher, dass ich etwas aufgeregt war. Als ich das meiner Nachbarin am Fenster erzählte, meinte sie sofort: „Aufregung gehört dazu. Mir hat mal jemand gesagt, dass ein Seminar nur gut wird, wenn man vorher Lampenfieber hat.“

Ich merkte, dass mich diese Aussage richtig ärgerte. Irgendwas störte mich daran. Und so machte ich mir noch etwas Gedanken zu dem Thema, die ich hier mit Ihnen teile.

Was bedeutet das im Umkehrschluss?

Was mich daran störte, war wohl die Vermutung, dass das im Umkehrschluss bedeuten würde, dass ein Seminar schlecht wird, wenn ich entspannt und gut gelaunt dahinfahre und mich darauf freue.

Außerdem werden hier Gegensätze unterstellt, die so gar nicht stimmen.

Wenn ich kein Lampenfieber habe, dann bedeutet das ja nicht automatisch, dass ich ein Seminar gelangweilt und mit negativer Routine und ohne Herzblut abspule.

Es gibt ja mehr zwischen der einen Seite mit Aufregung und Lampenfieber und vollkommener Gleichgültigkeit. Es gibt ja auch eine freudige Aufregung 🙂 . Ich kann auch ohne Angst und Anspannung voll konzentriert und mit Interesse bei der Sache sein – oder sogar besser.

Und es kam auch gleich der Gedanke: Das ist wieder mal so ein pauschaler negativer Glaubenssatz, der vielleicht nicht gerade hilfreich ist.

Was stimmt denn nun?

Ich kenne natürlich die Geschichten von Schauspielern und Musikern, die unter Lampenfieber leiden und wo es tatsächlich dann wohl dazu gehört. Doch sie leiden, und andere, die nicht darunter leiden, sind sicher trotzdem gute Schauspieler oder Musiker.

Außerdem ticken wir Menschen nun einmal unterschiedlich. Ich kenne Menschen, die nur unter Druck arbeiten können, die immer bis zum letzten Drücker warten und erst kurz vor der Deadline loslegen. Das könnte ich überhaupt nicht. Ich arbeite viel besser, wenn ich langfristig, entspannt und kontinuierlich an einer Sache (wie beispielsweise ein Buch schreiben) arbeiten kann.
Trotzdem schaffe ich es auch, wenn es dann mal eng wird und ich unter Stress gerate.

Wenn bei mir die Anspannung aber zu groß ist, dann bin ich nicht mehr gut. Dann habe ich das klassische Prüfungs-Blackout, wo ich mich an nichts mehr erinnere und schon gar nicht gut bin, im Moment achtsam wahrzunehmen, was in einem Seminar geschieht, was die Teilnehmer brauchen und flexibel zu reagieren. Unter Stress kleben wir eher an Routine und Gewohntem und sind eher starr als geistig beweglich.

Daher weiß ich von mir, dass ich besser bin, wenn ich entspannt bin. Trotzdem sind auch Seminare gut oder sehr gut gelungen, wenn ich vorher Schiss hatte, weil es eine neue Zielgruppe oder sonst was Besonderes war. Aber es ist nicht dieser einseitige kausale Zusammenhang, den die Äußerung oben suggeriert. Im Gegenteil, ich war dann trotz der Anspannung gut. Besser geht es mir ohne!


Welche Glaubenssätze liegen dahinter?

Wenn ich das weiterdenke, tauchen solche Glaubenssätze auf, dass Arbeit eben immer hart sein muss, damit sie den Namen „Arbeit“ verdient, damit ich damit gutes Geld verdienen kann und was es da sonst noch so gibt.

Arbeit darf leicht sein und Spaß machen

Dabei ist es mein Bestreben, immer mehr die Arbeit zu tun, die ich gerne mache und die ich gut kann. Bei der ich mich kompetent und zu Hause fühle. Für die mein Herz brennt und die mir wirklich Spaß macht. Das geht nämlich Hand in Hand.

Es gibt jede Menge Marketing- Seminare, in denen Teilnehmer lernen, ihre Wunschkunden zu identifizieren und ein Marketing zu betreiben, dass genau diese Wunschkunden anzieht. Nämlich Menschen, die genau das suchen, was ich biete, die genau mit so einem Menschen zusammenarbeiten wollen, wie ich es bin. Denn dann haben beide Seiten Freude daran und profitieren am meisten davon. Und dann gibt es kein Lampenfieber, sondern höchstens freudige Aufregung: „Ah, endlich geht es los!“

Konkrete Beispiele

2 Beispiele fallen mir da sofort ein.

Ich habe in den letzten Jahren ja auch Seminare und Coachings in der Türkei gemacht. Ich erinnere mich an 2 Coachings, jeweils 6 Tage mit einer Teilnehmerin. Es fand im Paradies statt, Lebens- und Berufsplanung mit Kreativitätstechniken in der Natur. Alles ist perfekt. Die Umgebung, die Natur, das kleine Hotel direkt am Meer. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden und wir sind bis heute befreundet und in Kontakt. Es waren die besten Seminare und Coachings, die ich je gemacht habe. Ich konnte den ganzen Tag draußen sein, in einer wunderschönen Natur arbeiten und wandern, mit supernetten Menschen zusammen. Ich war absolut nicht aufgeregt oder nervös, sondern habe es nur genossen.

Und nicht nur, dass es uns gut gefallen hat. Die Ergebnisse waren für die Teilnehmerinnen überwältigend. Sie haben inzwischen alles erreicht, was sie damals geplant und visioniert haben- und noch mehr. Beruflich und privat gab es einschneidende positive Veränderungen.

Damit nun aber kein Missverständnis entsteht: ich habe durchaus dabei gearbeitet. Und zwar viel und intensiv. Wir haben oft 8 Stunden gearbeitet, aber eben unter Bedingungen, die uns das nicht als negative Anstrengung erleben ließen, sondern wie einen intensiven Flow.

Und wenn ich dann doch Lampenfieber habe?

Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Satz dennoch hilfreich sein kann für Menschen, die eben immer unter Lampenfieber leiden. Dass sie sich damit sagen können: „Ok, es gehört dazu und dann wird es gerade gut!“ Die auch auf die entsprechenden Erfahrungen zurückblicken können, wo es eben immer gut geklappt hat. Trotzdem denke ich, das Seminar ist nicht deswegen, sondern trotzdem gut.

Matha Argerich

Ich habe einmal einen Dokumentarfilm über meine Lieblingspianistin Martha Argerich gesehen. Und habe regelrecht mit ihr gelitten, als da zu sehen war, dass sie trotz Weltkarriere immer und immer noch irrsinniges Lampenfieber hat, sich vor jedem Konzert richtig krank fühlt und weggehen will und ihr Manager mit Engelszungen auf sie einredet, dass das doch immer so ist und sie es wie immer grandios meistern wird. Da konnte man wirklich erleben, wie schrecklich das für denjenigen ist – und was das jedes Mal für ein Kraftakt ist, trotz zitternder Angst, Schweißausbrüchen und Übelkeit auf die Bühne zu gehen und sich an den Flügel zu setzen.

Das wünsche ich niemandem! Und daher – weg mit diesem Glaubenssatz. Sorgen Sie dafür, dass Sie in einer entspannten Verfassung ins Seminar gehen. Ich sage mir inzwischen sogar, dass meine Verfassung wichtiger ist als die tollsten Methoden oder Materialien, die ich mitschleppe. Denn in entspannter Verfassung bin ich kreativ genug, auch mit unvorhergesehenen Widrigkeiten umzugehen. Unter Stress nicht.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Welche Erfahrungen haben Sie mit Aufregung und Lampenfieber? Was sind Ihre Strategien?